Yakuza - "die Japanische Mafia"?
von Heiko Günther

Japan gilt als eines der sichersten Länder der Welt. Doch natürlich existiert auch hier Kriminalität. Mit der wirtschaftlichen Entwicklung und dem verstärkten Auftreten Japans in Amerika und Europa, wuchs das Interesse, an der japanischen organisierten Kriminalität.

Im Westen ist vor allem das Wort Yakuza bekannt und ein beliebtes Thema in den Medien. Vor allem in Filmen werden sie als ein japanisches Gegenstück zur italienischen Mafia dargestellt. Das hat zu einem ziemlich verzerrten Bild geführt, denn die Unterschiede sind erheblich. Es kommt auch häufig vor, daß die in letzter Zeit in den Medien auftauchenden Sôkaiya (Banden, die Firmen erpressen, mit der Drohung, die Aktionärsversammlungen zu stören) mit in einen Topf geworfen werden. Doch längst nicht alle Sôkaiya sind auch Yakuza.

Selbst in Japan verschwimmen die Begriffe, welche organisierte Kriminalität beschreiben. Offizielle japanische Stellen benutzen den Ausdruck Bôryokudan (gewalttätige Gruppen), jedoch ist Gewalt auch bei den Yakuza die ultima ratio, das letzte Mittel. Der weitaus größte Teil der alltäglichen, legalen Geschäfte wie die Kreditvergabe oder Arbeitskräftevermittlung, als auch der illegalen wie Prostitution, Glückesspiel oder Drogenhandel läuft absolut friedlich ab.

Was sind diese Yakuza also wirklich?

Wenn man Vergleiche mit der italienischen Mafia anstellt, kann man auch von den Yakuza sagen, daß sie vor dem Hintergrund bestimmter gesellschaftlicher Strukturen entstanden und sich vor allem aus den Außenseitern und Benachteiligten der Gesellschaft zusammensetzten. Jedoch im Gegensatz zu Italien, entstanden die Yakuza in den Städten, aus der Schicht der Glücksspieler, Handlungsreisenden und Tagelöhner (Bau- und Hafenarbeiter). Das Wort yakuza bedeutet acht ( ya), neun (ku) und drei (za) und bezeichnet eine Zahlenkombination, die im japanischen Kartenspiel Hanafuda als das schlechteste Blatt, wörtlich nutzlos, gilt.

Die Ursprünge der Yakuza liegen in der Edozeit, doch ihre besondere Bedeutung und Einfluß haben sie vor allem seit der Meijizeit erhalten. Der Nationalheld Jichiro war Chef einer Bakuto- Organisation (traditionelle Spielerbanden unter den Yakuza) und erwarb sich hohe Meriten, durch seine Parteinahme für den Kaiser wöhrend der Auseinandersetzungen der Meiji-Restauration. Auch in späteren Zeiten sind die Yakuza eher patriotisch oder rechtsnational politisch tätig. Ihre Spenden sichern ihnen einen erheblichen Einfluß in Politik und Wirtschaft. Die Lautsprecherwagen der rechten Parteien werden nicht selten von Yakuza gefahren.

Das Besondere an den japanischen Yakuza ist ihre extreme Visibilltät was das Äußere, ihr Auftreten, Organisationsstruktur und Öffentlichkeitsarbeit betrifft. Sie sind tatowiert, tragen Sonnenbrillen und grelle Hemden, fahren amerikanische Luxuslimousinen (kein anderer Mensch würde in Japan auf die Idee kommen, solche Autos zu fahren). Im Unterschied zur italienischen Mafia basiert der Zusammenhalt nicht auf der Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe oder Familie. Blutsverwandtschafliche Beziehungen spielen keine Rolle, die einzelnen Yakuza-Gruppen selbst besitzen jedoch eine familienähnliche Struktur. Darauf basiert auch die in der organisierten Kriminalität spezifische und lebensnotwendige Loyalität.

Bis vor wenigen Jahren waren die Yakuza legal und man konnte ihre Büros überall finden. Diese Büros waren ständig besetzt, bewacht und man konnte erkennen welcher Organisation angehörte und an weicher Stelle in der Struktur die Gruppe stand.

So war es auch den Normalbürgern möglich, jederzeit mit ihnen Kontakt aufzunehmen und ihre Unterstützung zu erhalten.

Die Yakuza-Bosse gaben Interviews und Pressekonferenzen, besaßen eigene Zeitungen. Mit großem Aufwand wurden Versöhnungs-, Beerdigungs- und Haftentlassungsfeiern veranstaltet. Zu Neujahr statteten sie der Polizei die traditionellen Glückwunschbesuche ab.

Mit dem Verbot der Yakuza milderte sich dieses auffallende und herausfordernde Verhalten. Die ehemaligen offiziellen Büros firmieren jetzt als Kredit- oder Arbeitskräftevermittlungen u.ä.. Trotzdem existieren die Gruppen selbstverständlich weiter und gehen ihren gewohnten Geschäften nach.

Die größte Gruppierung ist weiterhin die Yamaguch-gumi mit ca. 20 000 "Mitarbeitern" und einem Anteil von etwa 20% an den jährlichen Einnahmen aller Yakuza.

Einige Veränderungen scheint es aber doch zu geben. Zum einen hat sich die Zahl der Beschwerden von Bürgern über Yakuza-Aktivitäten beträchtlich erhöht. Das läßt auf eine geringer werdende Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung schließen.

Auf der anderen Seite scheint es immer mehr jüngere Yakuza zu geben, die nicht mehr bereit sind, sich an die traditionellen Normen und Regeln halten zu wollen. Ein Beleg dafür, ist die zunehmende Gewaltbereitschaft unter Einsatz von Schußwaffen. Es werden auch immer öfter unbeteiligte Bürger Opfer dieser Schiessereien, zu früheren Zeiten eher selten und verpöhnt. Ein Höhepunkt dieser Tendenz war in der

zweiten Jahreshölfte 1997. In Osaka wurden bei einer Schiesserei in einem Coffeeshop ein gewisser Takumi und ein unbeteiligter Passant erschossen. Takumi war die Nummer zwei der Yamaguchi-gumi und designierter Nachfolger des derzeitigen Bosses Watanabe. Die Töter waren jüngere Mitglieder der Nakano-kai, einer Untergruppe. Diese Gruppe wollte ihre Tätigkeit nach Kyôto ausweiten und stieß dabei auf den Widerstand der sehr alten und traditionellen Gruppen der Stadt. So ein Verstoß gegen die Regeln konnte nicht geduldet werden und man rüstete sich zur Rache für den Tod ihres Bosses.

Während meines Besuches in Japan im September letzten Jahres war man noch mitten in der 49tägigen Trauerperiode und es bestand ein Waffenstillstand. Doch auf allen Seiten (Gangster und Polizei) liefen die Vorbereitungen für einen richtigen Bandenkrieg. Aus der Zentrale der Yamaguchi-gumi wurden Steckbriefe und Sicherheitsgarantien verschickt. Ich hatte durch einen guten Bekannten die Möglichkeit ein Yakuza-Büro zu besuchen und mich persönlich mit einem Mitglied zu unterhalten. Die ganze Umgebung machte den Eindruck eines Gemisches von typischer japanischer Bürokratie, japanischer Tradition und Unterwelt. Es war ein interessantes Erlebnis, das ich nicht missen möchte.

Als einfacher Reisender möchte man sicher nicht unbedingt mit dieser Seite Japans Bekanntschaft schließen. Als Japanologe jedoch ist es für mich sehr interessant gewesen, zu sehen, wie sich die japanische gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Zustände in den Yakuza widerspiegeln und gegenseitig beeinflussen.

aktualisiert: 10.02.1999   |   Kontakt: Webmaster  |  © japonet 1999