Shiatsu - mehr als nur Massage
von Richy Spyra
 

In Japan gibt es ein auf der klassischen chinesischen Medizin aufbauendes Konzept, das den Menschen als Einheit von Körper und Geist sieht. Dieses Konzept besagt, das Emotionen ebenso die Ursache für körperliche Krankheiten sein können, wie umgekehrt körperliche Krankheiten Einfluß auf die Psyche haben. Aus diesem Verständnis heraus ist es sinnvoll, das Wohlbefinden des Menschen im Ganzen zu betrachten und die Wechselwirkungen zu berücksichtigen.

Wenn man an die klassische chinesische Medizin denkt, so kommt den meisten Menschen erst einmal die Akkupunktur in den Sinn. Diese benutzt ein Gedankengebäude, das bereits über 3000 Jahre alt ist und immer noch Anwendung findet. Im Mittelpunkt dieser Lehre steht das Konzept der beiden Gegenpole Yin und Yang und die Kosmologie der fünf Element. Die fünf Elemente, das sind Wasser, Holz, Feuer, Erde und Metall. Sie finden ihre Entsprechungen in den Jahreszeiten wie auch in den Emotionen aber auch mit bestimmten Funktionsbereichen innerhalb des Körpers.

Die Diagnose oder Anamnese wird entsprechend dieser, auf Erfahrung und Beobachtung der Natur konzipierten Modelle, durchgeführt. Für denjenigen, der sich behandeln läßt, sind die hinter der Behandlung stehenden Theorien weniger wichtig, entscheidend ist der Behandlungserfolg.

Eine sehr angenehme Therapieform, die auf der klassischen chinesischen Medizin basiert ist shiatsu. Shiatsu ist erst in den 20er Jahren dieses Jahrhunderts aus der chinesischen Massage Anama und westlichen Therapieformen entwickelt worden.

Zur Behandlung wird entlang von Energiekanälen, welche man Meridiane nennt, Druck ausgeübt und damit der Energiefluß innerhalb des Körpers beeinflußt: Ist ein Zuviel an Energie an einer Stelle im Körper angestaut zum Beispiel bei einer Verspannung, versucht der Shiatsu-Therapeut diese Energie wieder im Körper zu verteilen. Umgekehrt, bei einem Zuwenig an Energie in einem Körperbereich wird es das Ziel sein, Energie aus dem übrigen Körper dort hin zu lenken. Dieses Konzept wird in der Akkupunktur ebenfalls angewendet. Im shiatsu benutzt man, wie der Name es schon andeutet, die Finger, um diese Wirkung zu erzielen, was ich persönlich als wesentlich angenehmer empfinde.

Außer der Behandlung durch Druck mit den Daumen, den Handflächen, den Ellenbogen, den Knien und den Füßen werden auch Dehnungen und Rotationen von Gliedmaßen benutzt, um die Energieverteilung im Körper zu harmonisieren. Das Ganze ist keine Zauberei, sondern kann auch von Ungeübten ausprobiert werden, indem man zum Beispiel mit dem Daumen auf eine verspannte Körperstelle drückt. Die Folge wird sein, daß die Verspannung dem Druck nach einiger Zeit nachgibt.

Beim shiatsu wird dieses Prinzip bewußter und im Zusammenhang mit dem ganzen Körper angewendet. Gegenüber der herkömmlichen westlichen Massage ist diese Methode weniger schmerzhaft und erlaubt eine sehr tiefe Entspannung.

Das besondere an shiatsu ist unter anderem, daß man meist auf einem Futon liegend behandelt wird. Der Therapeut hat dadurch die Möglichkeit, sein Gewicht zu nutzen und so ohne Kraftaufwand auf seinen Patienten einzuwirken. Da die Behandlung im gleichmäßigen Rhythmus des Ein- und Ausatmens vonstatten geht, entsteht eine ruhige, die Entspannung fördernde Atmosphäre.

Nach der Behandlung fühlt sich der Körper angenehm belebt und entspannt an. Manchmal erlebt man auch ein ungewohntes Körpergefühl, wenn der Therapeut während der Behandlung Fehlhaltungen des Körpers korrigiert hat. Oft passiert es, daß man durch die langsame und ruhige Art des shiatsu kurz vor dem Einschlummern ist.

Shiatsu ist aber nicht nur dazu gedacht Muskelverspannungen und Probleme mit der Wirbelsäule zu lindern, sondern beeinflußt auch die Funktion der inneren Organe, die stimuliert oder tonisiert werden. Ebenso wie Emotionen mit den Organen in Wechselwirkung stehen und die Körperhaltung beeinflussen gilt diese Beziehung auch umgekehrt. Der Ausspruch "Mir läuft die Galle über", im Zustand des Ärgers, zeugt von diesem Zusammenhang. Beim shiatsu wird versucht, entstehenden Krankheiten vorzubeugen. Wenn schwerwiegende Störungen bereits entstanden sind kann, shiatsu andere Therapieformen ergänzen und so positiv einwirken.

Ein Vorzug von shiatsu gegenüber anderen Therapieformen ist die emotionale Wirkung durch die körperliche Berührung. Doch im Vergleich zu Deutschland wird in Japan shiatsu weniger zaghaft angewandt, nach dem Motto: "Eine Behandlung, die nicht weh tut, hilft auch nicht". Die Mentalität der Japaner, die Ursachen von körperlichen Störungen eher auf eigenes Fehlverhalten zurückzuführen, fördert die Bereitschaft, Unannehmlichkeiten während der Behandlung zu tolerieren.

Die Einstellung der Deutschen ist es eher, Schmerzen zu meiden und körperliche Unbotmäßigkeiten auf äußere Einwirkungen zurückzuführen.

Mit shiatsu ist es möglich, ein neues Körpergefühl zu erleben, das über das Resultat einer Massage, die man sich angedeihen läßt, hinausragt und das man in den Alltag mitnehmen kann. Ich hoffe, daß Ihr nach dieser kurzen Einführung Lust bekommen habt, das Ganze an Euch ausprobieren zu lassen.

Aktualisiert: 10.05.2001   |   Kontakt: Webmaster  |  © japonet 2001