Noch am Anfang der 50er Jahren standen die Worte Made in Japan für billige Waren
minderer Qualität, aber infolge der Bemühungen vom MITI sollten sie sich zusehends zu einer
Art Qualitätssiegel entwickeln.
In einem ersten Schritt auf dem Weg dahin wollte das MITI dem damaligen schlechten Ruf der
Qualität japanischer Waren durch den gezielten Import und Einsatz ausländischer Technologie
entgegen wirken, die in vielversprechende Wachstumsbranchen eingebracht wurde. Große Mengen an
Devisen wurden nur zu diesem Zweck bereitgestellt. Die moderne Technologie allein garantierte allerdings
noch keine hochwertigen Produkte, weshalb die 1951 gegründete JETRO (Japan External Trade
Organization) mithelfen sollte, das Design in Japan zu fördern. Sie verschaffte der japanischen
Industrie über die Vergabe von Stipendien für Designstudien in Übersee Zugang zu den
Kenntnissen der ausländischen Konkurrenz. Darüber hinaus wurden namhafte Designer wie z.B.
Bruno Taut oder Charlotte Perriand (eine enge Mitarbeiterin von Le Corbusier) nach Japan eingeladen.
Mit ihrer Hilfe wollte man das japanische Design um moderne Produktionsverfahren und industrielle
Werkstoffe bereichern, um sie den japanischen Konsumenten im Alltag nahe zu bringen.
Diese durch das MITI geförderten Maßnahmen hatten jedoch in erster Linie die möglichst
günstige Reproduktion konkurrierender Produkte zum Ziel, um einen möglichst großen
Marktanteil für die japanischen Produzenten zu erobern. Eine derartige Politik blieb natürlich
nicht ohne Folgen. Ausländische Unternehmen monierten das eklatante Ausmaß der Designpiraterie
und die Situation spitzte sich gegen Ende der 50er dramatisch zu. Ein plastisches Beispiel liefert der
peinlich berührte Bericht des japanischen Industriedesigners Mosuke Yoshitake, dem 1959 der Zutritt
zu schwedischen Fabriken untersagt wurde. Zur Begründung wurden ihm ca. 30 schwedische Produkte
vorgelegt, direkt gefolgt von ihren nahezu identischen Kopien japanischen Ursprungs (1).
Da auch die USA mit der gleichen Begründung gegen eine Reihe von Produkten
Einfuhrbeschränkungen verhängte, beschloß das MITI 1957, durch das Good Design
Selection System, in dessen Rahmen ein sogenanntes G-Siegel für innovatives Design
vergeben wurde, die Unternehmer dazu zu bringen, sich der Plagiatsproblematik zu stellen. Zu Beginn
war dieses System allerdings nicht unumstritten. In einem Artikel der Kogei nyûsû
(Industrie Design Nachrichten) von 1958 forderten einige Produzenten und Mitglieder der JIDA (Japan
Industrial Design Association) die Abschaffung des G-Siegels, da die Vergabe von Laien kontrolliert
werde, die den Design-Prozeß nicht verstünden und deshalb Industrieanlagen unbeachtet
ließen.
Generell wurde zu dieser Zeit heftig diskutiert, was von MITI und JETRO unter "gutem Design"
verstanden wurde. Die japanischen Designer hatten absolute ästhetische Werte und waren der
Überzeugung, daß sich gutes Design an den Bedürfnissen des Kunden zu orientieren hat.
Ihr Bestreben war darauf ausgerichtet, schöne Gegenstände herzustellen, die zugleich
zweckmäßig und bedarfsgerecht sind. Ihre Definition von gutem Design war "die völlige
Einheit von Form und Funktion, bei der eine praktische, komplikationslos vernunftsorientierte
Schönheit entsteht." (2)
Das MITI dagegen legte bei der Auswahl von Produkten für das G-Siegel größeren Wert
auf den ökonomischen Aspekt des Designs und forderte: "Form und Funktion des Produktes sollten eine
einzigartige Verbindung eingehen. Das Produkt sollte für die preisgünstige Massenproduktion mit
modernsten Fertigungsverfahren geeignet sein."
Obwohl das G-Siegel also durchaus umstritten war, führte es doch dazu, daß die Produzenten
ein anderes Bewußtsein für Design entwickelten. Vor der Einführung des Siegels im Jahr
1957 war
Das japanische Design unterentwickelt; 1951 gab es mit Mano Zen'ichi bei Matsushita Electric Industrial
Co. gerade mal einen fest angestellten Produktdesigner in einer japanischen Firma. Bei Unternehmen wie
Sony erfolgte der Entwurf von Produkten noch durch Ingenieure und in weiten Bereichen der
Unternehmenslandschaft herrschte die Kopie ausländischen Designs vor. (3)
In den 60er Jahren waren bei fast allen japanischen Industrieunternehmen eigene Designabteilungen
eingerichtet worden, in denen an der Verbesserung der Funktion und des Erscheinungsbildes der Produkte
gearbeitet wurde. Das erste spektakuläre Ergebnis dieser Bemühungen war das weltweit erste
volltransistorierte Fernsehgerät, das SONY 1960 auf den Markt brachte. Die asymmetrisch angeordneten
Bedienungsknöpfe und Entlüftungsschlitze sowie das Gehäuse, das einem japanischen Dach
nachempfunden über die Bildröhre ragte und so die Blendwirkung verminderte, sorgte für
Furore. Das Gerät galt als Musterbeispiel modernen japanischen Designs.
In der folgenden Zeit gingen die japanischen Elektrofirmen zu der amerikanischen Verfahrensweise
über, das Erscheinungsbild der Produkte alljährlich zu ändern wodurch sie immer wieder
den Charakter des Neuen und damit verbundene Wettbewerbsvorteile für sich gewinnen konnten.
Die rasante Fortentwicklung der Halbleitertechnologie tat in diesem Bereich das ihrige. Mit ihrer
Hilfe konnten die Produkte nicht nur vom Erscheinungsbild erneuert und verbessert werden, sie wurden
auch immer kleiner und mit immer mehr Funktionen versehen.
In der Zeit der 60er und 70er Jahre erlangte das japanische Design auch durch große Ereignisse
im Lande internationale Anerkennung: 1960 wurde in Tôkyô die World Design Conference (WoDeCo)
ausgerichtet, 1964 hielt man hier dieXVIII. Olympischen Spiele ab und schließlich erreichte die
Expo`70, die Weltausstellung in Ôsaka, hohe Aufmerksamkeit. Diese Ereignisse wurden mit
größter Sorgfalt vorbereitet Gerade in Verbindung der WoDeCo und der Olympischen Spiele
mußten Designer eine wichtige Aufgabe lösen; den Graphikern unter ihenen fiel die Aufgabe zu,
Teilnehmern und Besuchern, die mit hoher Wahrscheinlichkeit der Landessprache nicht mächtig sein
würden, über ein "graphisches Programm" Orientierung zu verschaffen. Diese Grophikdesigner
entwickelten mit dem bahnbrechenden Konzept der visuellen Kommunikation das erste System von
Bildsymbolen in der Geschichte der Olympischen Spiele, das bis heute geblieben ist und für
unzählige nachfolgende Programme als Vorbild diente.
Der damalige Design-Koordinator und Art Direktor für die Olympiade, Katsumi, bemerkte zur
Entwicklung des Konzeptes der visuellen Kommunikation, daß die Designer bei diesem Projekt
Gelegenheit hatten, von spezifichen japanischen Erfahrungen auf dem Gebiet der Bildersprache zu
profitieren; schon in der Symbolik und der Ausführung der alten Familienwappen sah Katsumi
eine der kompliziertesten Anwendungen von Bildersprache weltweit.
Die japanischen Designer erkannten zu dieser Zeit, daß sie nicht nur durch die Entwicklung und
Miniaturisierung hochtechnisierter Produkte attraktives und wettbewerbstarkes Design schaffen konnten.
Eine ganz andere Stärke lag darin, traditionelle Gestaltungsprinzipien und Handwerkstechniken mit
modernen industriellen Konzeptionen und Fertigungsmethoden zu kombinieren.
lwakuro Shin'ya (Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von HONDA in den 80ern) meint,
daß gerade die traditionelle Handwerkskunst und althergebrachte japanische ästhetische
Wertvorstellungen dem japanischen Design zu seinem Erfolg in der modernen Welt verholfen haben:
"Geschichte und Tradition bilden ( ... ) die Grundlage, der wir Sinn für Details und
Fähigkeit zur klaren Gestaltung kleiner Unterschiede verdanken. Ästhetische Wertvorstellungen
sind ein grundlegender Bestandteil der japanischen Kultur, ähnlich wie das klassische Ideal einst
in den westlichen Ländern Normcharakter besaß." Was auch immer die Ursachen sein
mögen, Design japanischen Ursprungs vermag immer wieder, mit seinen klaren Linien, der Verwendung
ungewöhnlicher Materialien und einer sorgfältigen Durchgestaltung bis ins kleinste Detail zu
erstaunen.
1 Das ausgeprägte Gefühl der Skandinavier für die natürlichen Eigenschaften des
Holzes kam den Vorlieben der Japaner zu dieser Zeit stark entgegen.
2 womit sie die Überzeugungen ihrer westlichen Kollegen teilten.
3 weitere Beispiele für dieses Verhalten bieten das Unternehmen CANON, wo die deutschen
Leica-Kameras nachgebaut wurden, und der Automobilhersteller HONDA, dessen erste Modelle den
Fahrzeugen von MG und Austin-Healy nachgebaut waren.
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