Neuer Purikura-Boom. Computergrafiken machen’s möglich

Von TAKAHASHI MISAKO

In grellem Pink tanzt die Aufschrift Setsugekka (Schnee, Mond und Kirschblüten, als Ausdruck für die Jahreszeiten, d. Ü.) auf einem Banner. Unter diesem Namen ist im Sommer 2004 das neueste Purikura-Modell (purikura steht für print club, welches wiederum die kleinen Photoaufkleber mit diversen Mustern und Hintergründen meint, d. Ü.) eingeführt worden, eine weiße Box von ungefähr zwei Metern Größe.

„Einer Untersuchung eines großen Verlags zufolge hat sich das neue Modell bei den Mittel- und Oberschülerin auf Platz eins ‚gefunkelt‘.“ Schon ein bißchen stolz spricht so Nagada Ryûichi (38), der bei Namco, einem Großunternehmen für Spielautomaten, als Leiter eines Teams zur Entwicklung neuer Spiele fungiert.

[Illustration, nicht aufgenommen]

Im Inneren der Box befindet sich ein knapp 2 Tatamimatten (ungefähr 1,80 m x 1,80 m, d. Ü.) großes Studio. Was man auf einem Touchscreen auswählen kann, geht über realistische Hintergründe wie „Strand im Hochsommer“, „in den Flammen“ usw. hinaus. Dazu noch ein sanftes Licht auf der Haut, das Gefühl der Qualität, der Glanz auf den Haaren . . . In der benötigten Zeit von knapp acht Minuten werden Photosticker entwickelt, die ganz die Atmosphäre verbreiten, als sähe man „Idols“ (Stars aus dem Fernsehen, d. Ü.).

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Die Einführung der Purikura-Automaten im Jahr 1995 hatte einen wahren Wirbel verursacht. Zwar flaute der Boom im Handumdrehen wieder ab, aber die Mittel- und Oberschülerinnen haben trotzdem weiterhin gerne Photosticker machen lassen.

Im Jahr 2001 hat Nagada, der an der Universität Maschinenbau studiert und bei Namco mit der Anfertigung von Themenparks zu tun hatte, die Verantwortung für das Entwickeln von Purikura-Automaten übernommen. Mit dem Gefühl, dass alle Vorzeichen, den Boom neu zu entfachen, gegeben seien, fand er – während er von Privatfirmen geleitete Spielcenter besichtigte – Purikura-Automaten, an denen Mittel- und Oberschülerinnen Schlange standen. Dies betraf Spielcenter insbesondere in Shibuya, Ôsaka und Kyûshû.

„Worin liegt nur die Faszination der Mädchen an Purikura?“ fragte er sich selbst, und so stellte er mit einigen Mitarbeitern ein Team zur Entwicklung eines neuen Modells zusammen. Unmittelbar danach brachte eine Firma, die mit einem großen Elektrogerätehersteller assoziiert wird, den Automaten Gekiteki bisha (wörtl: „schöne Fotos wie im Schauspiel inzeniert“, d. Ü.) auf den Markt. Da auch diese Maschine die Bildqualität auf Digitalkamera-Niveau anhob, standen die Mädchen, die „in erstaunlichem Ausmaße wunderschön fotografiert wurden“, Schlange.

Dies galt es zu übertreffen. Im folgenden Jahr stellten Nagada und sein Team ihr neues Modell fertig. Zur Überbrückung der Zeit bis zum Ausdruck der Sticker wurde ein Spiel zur Diagnose der Psyche eingeführt, welches schon bald zum Gesprächsstoff wurde. Sogleich machten sich andere Firmen daran, dem nachzuziehen. Von hier ausgehend begann also die wahre Probe des Automaten.

Die Erträge auf dem Purikura-Markt stiegen wieder um einige 10 Milliarden ¥ an, so dass die Firmen, welche die nötigen Mittel hatten, im Abstand von zwei bis drei Monaten neue Modelle entwickelten, wodurch sich wiederum der Wettbewerb intensivierte. Nagada war als Planer, Programmierer und Designer der Leiter des Projekts und er trat sein Amt an als Kopf einer „Familie“ mit 50 Mitgliedern. Er erschuf „Purikura, die es bis dato nicht gegeben hatte.“

Photosticker-Automaten auf dem Markt. Der Markt mit den Photostickern soll eine Größe von 100 Milliarden ¥ erreicht haben. 2003 waren es 77 Milliarden ¥ (gemäß einer Untersuchung des Branchenverbandes). Mehr als 90 Prozent der Benutzer sind Mittel- und Oberschülerinnen, welche die Bilder dann u. a. in „purichô“ genannte Notizbücher einkleben und den Freunden zeigen. Das Branchenblatt „Amusement Channel“ schreibt: „Ein Muss für Spielcenter. Die Automaten haben sich in der Mädchenkultur fest etabliert.“

In Zusammenarbeit mit Marketingfirmen befragte man 5.000 Mädchen und legte Wert darauf, eine Technik zu durchdenken, die eine „schöne Haut“, welche den Mädchen am meisten am Herzen liegt, ermöglicht: kurz gesagt, ein Verfahren, dass eine geschönte Haut zeigt. Man bat einen Kameramann immer wieder, Bilder von Mädchen im Photogravurstil zu machen, und unter seiner Aufsicht untersuchte man großformatige Stroboskope und Linsen: den Winkel der Beleuchtung, die Stärke des Blitzlichts, die Bewegung der Linse . . .  Man gab Bestellungen für Materialien auf und ermittelte deren ideale Verwendung. Wiederholt machte man Probeaufnahmen, bis die Augen der fotografierten Person – egal wo sie standen – funkelten und eine zarte Haut aufs Bild gebannt wurde. Hinzu kam die Einführung von Computergrafiken für eine unglaubliche Bildqualität. Durch einen eingebauten Computer mit großen Speicherkapazitäten wurde es möglich, die von der Kamera aufgenommene Bilder sofort zu bearbeiten. Mit dem kesshô no gijutsu (Make-up-Technik)-Model von vor zwei Jahren sind „zarte Haut“ und „glänzende Haare“ zur Realität geworden, und auch [Illustration, nicht aufgenommen] die Szenarien im Hintergrund verströmten eine äußerst natürliche Atmosphäre. Letzten Sommer waren die kachôfugetsu-Automaten (wörtl: „Blume, Vögel, Wind, Mond“ = die Schönheiten der Natur, d. Ü.) im Verkauf. Die Mädchen stürzten sich darauf und das Branchenblatt verlieh den höchsten Preis. setsugekka war das noch einmal überarbeitete, in diesem Sommer vollendete Nachfolgermodell.

„Auf jeden Fall (sind die heutigen Teenager, d. Ü.) eine sehr pingelige Gruppe,“ sagt die ehemalige Kollegin und Nagadas Ehefrau Eriko (37). Ihr gemeinsames Hobby ist Windsurfing, aber im vorigen Jahr kam Nagada immer erst nach Mitternacht nach Hause. Weil er auch an Feiertagen arbeitete, blieb dem Ehepaar nur wenig Zeit, die man zusammen hätte genießen können. „Ich möchte schon ein bisschen mehr Zeit mit ihm verbringen, aber . . .  Seine Begeisterung für seine Arbeit macht ihn aber auch so faszinierend.“

Nagada hat sofort mit der Entwicklung des nächsten Modells begonnen. „Dass er sich mit den Worten ‚Das wird das erste seiner Art!‘ so freut, freut auch mich. Nur die Mädchen können wohl kaum etwas von unserer Plackerei wissen.“

17. 12. 2004, S. 16 (Johanna Mauermann, Japanologie Frankfurt)